Fundraising in Einrichtungen der Altenhilfe - verzichtbare Spielerei oder Problemlöser?
(Zum Download auf das Clover klicken.)

Fundraising - wie lassen sich geeignete Spender*innen für die Altenhilfe gewinnen?
(Zum Download auf das Cover klicken.)

Reinhard Strüven

Fundraising für die Altenhilfe

 

Fundraising bietet den Einrichtungen der stationären, teilstationären und ambulanten Altenhilfe viele Möglichkeiten. Neben den finanziellen sind dies ebenfalls öffentlichkeitswirksame und einrichtungsinterne Aspekte. Ein ehrgeiziges Fundraising-Projekt ist keine Zauberei und kann, neben der finanziellen Zuwendung, zu einem besseren Miteinander und zu einer Stärkung des Wir-Gefühls in einer Einrichtung beitragen.

 

Keine Berührungsängste

Sie haben von den Möglichkeiten des Fundraisings gehört und möchten diese gerne in Ihrer Einrichtung nutzen? Sie möchten Anschaffungen tätigen, die sich aus den vorhandenen Budgets nicht finanzieren lassen? Sie möchten wissen, wie Fundraising funktioniert?

Lassen Sie mich Ihnen zunächst einige Gegenfragen stellen: Gewinnen Sie ehrenamtliche Mitarbeiter für Ihre Einrichtung und arbeiten mit ihnen zusammen? Bitten Sie Ihre Lieferanten und Geschäfte in der Nachbarschaft um Sachspenden für die große Tombola beim Sommerfest? Nehmen Sie kleinere Geldspenden der Apotheken und Hilfsmittelversorger, die Ihr Haus beliefern, gerne entgegen? Wenn dies und Ähnliches zutrifft, dann sind Sie bereits im Fundraising aktiv. 

Fundraising hat auch, aber nicht nur mit Geld zu tun, vielmehr fällt jede Mittelbeschaffung für den gute Zwecke unter diese Definition (1). Und das können neben Geld- auch Sach- und Zeitspenden sein. 

Doch natürlich geht es, wie sollte es anders sein, vor allem um Geld. Geld für teure Pflegehilfsmittel, welche die Krankenkassen nicht zahlen wollen und für deren Beschaffung Sie nach Alternativen zu einem langwierigen (Rechts-)Streit suchen. Geld für die Neugestaltung Ihres großen Gartens – und dann jemanden, der diesen ehrenamtlich pflegt. Geld für eine neue SAT-Anlage auf dem Dach. Geld für die mobile Kegelbahn, eigens von einer örtlichen Schreinerei angefertigt. Geld für die Klimatisierung Ihrer Zimmer, in denen es im Sommer unerträglich heiß wird. Geld für den mehrtätigen Bewohnerausflug, um die Taschengeldkonten Ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zu schonen. Geld für die Umgestaltung eines karg wirkenden Wohnbereichs, in welchem sich überwiegend an Demenz Erkrankte aufhalten. Geld für einen Snoezelenraum, dessen Kosten das Budget für die Altenbetreuung sprengt. Geld für die Neugestaltung Ihres Kurzzeitpflegebereichs, damit Ihre Gäste dorthin gerne wiederkommen. Geld für die Restaurierung der historischen Orgel in Ihrer Kapelle, deren Baujahr dem Geburtsjahr Ihrer ältesten Bewohnerin entspricht und die Sie der Nachwelt gerne erhalten möchten.

Langweilige ich Sie mit dieser Aufzählung? Ich hoffe nicht, denn ich bin sicher, dass auch Ihnen schon Ideen in den Sinn gekommen sind, was sich in Ihrer Einrichtung verbessern ließe, wenn nur die Mittel dafür da wären, wenn Sie nur könnten, wie Sie wollten. Seien Sie versichert: Sie können!

 

Versuche, Rückschläge, Erfolge

Rückblende: Vor zwanzig Jahren hatte das Altenheim, in dem ich arbeitete, nur einen älteren, klapprigen VW-Bus für die wöchentlichen Bewohnerinnen- und Bewohnerausflüge. Jeder Zivi hatte sich in diesem Fahrzeug schon mit einer Beule verewigt, doch was schwerer wog: Der Bus war alles andere als behindertengerecht und die Zahl der Bewohner, die noch an den Ausflügen in die Umgebung teilnehmen konnten, nahm zusehends ab. Ich fragte mich, wie sich daran etwas ändern ließe. 

„Fundraising“ war damals noch ein exotisch klingender Begriff. Es gab noch keine Vielzahl an Agenturen, die beratend hätten zur Seite stehen können, und Fachbücher nur sehr wenige. Eines davon kaufte ich, las es durch und erstellte ein Konzept, wie meine Einrichtung zu einem neuen behindertengerechten Bus kommen könnte (2). 

Ich plante verschiedene Maßnahmen: Mittels eines Flyers „Projekt Neuanschaffung eines behindertengerechten Busses“ wandte ich mich an die Lieferanten, Freunde und Förderer des Hauses mit der Bitte um Spenden. Im Eingangsbereich des Hauses stellte ich eine Spendenbox auf, daneben ein Spendenbarometer, das über den aktuellen Stand an Zuwendungen informierte. Überlegt wurde, Spender auf die Finanzierung einzelner Wagenteile anzusprechen und das Auto dafür farblich in seine Einzelteile zu zerlegen. Auf Festen und Feiern, zu denen auch Angehörige und weitere Externe eingeladen waren, wurde für das Projekt geworben. 

Doch es ging nur schleppend voran, und die Säule im Spendenbarometer wuchs viel zu langsam. Wir überlegten, einen mit Werbung finanzierten und beklebten Bus anzuschaffen, was eine schnelle Lösung gewesen wäre, doch entsprach dies nicht dem Leitbild vom Auftreten unseres Verbandes in der Öffentlichkeit. 

Ich versuchte mich im Bußgeldfundraising, versuchte, Kontakt zu den Richterinnen und Richter der örtlichen Gerichte aufzunehmen, mit bescheidenem Erfolg.

 

Stiftungen in der Öffentlichkeit und im Verborgenen

Ein anderer Weg verlief weitaus vielversprechender: die Ansprache regional tätiger Stiftungen, die, neben anderen Zwecken, auch die „Altenhilfe“ als Stiftungszweck angegeben hatten. Welche dies sind, können wir heute online in den Stiftungsverzeichnissen der Bundesländer recherchieren, damals kauften wir ein kiloschweres Buch. 

Unvermittelt öffneten sich Türen, von denen wir zuvor nicht einmal wussten, dass es sie gab. Nicht lange, und unser Spendenziel war nicht nur erreicht, sondern übertroffen, und der behindertengerechte Bus bekam noch manche Sonderausstattung. Als großer Sozialverband bekamen wir außerdem einen satten Rabatt auf das Fahrzeug. 

Von den so geschaffenen Kontakten zu verschiedenen örtlich agierenden Stiftungen profitierten wir in den nächsten Jahren ein ums andere Mal. Es entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die uns zu vielen weiteren Großspenden verhalf – ein kontinuierlicher Spendenzufluss, der uns die Anschaffung verschiedener Pflegehilfsmittel, Ausstattungs- und Einrichtungsgegenstände ermöglichte. 

In der Weltwirtschaftskrise 2008 flossen die Spenden spärlicher. Doch der Faden riss nie ganz ab, und Wirtschaft und Spendenfreudigkeit erholten sich wieder. 

 

Der Spender, das unbekannte Wesen

Wer ist es, der spendet? Eine bestimmte Spezies, die sich von uns „normalen Menschen“ unterscheidet? Kaum. Hinter beiden, Spendenempfängern und -gebern, stehen Menschen und ihre Biografien: Ich erinnere mich an einen erfolgreichen Bauunternehmer und seine Frau, die einen privaten Schicksalsschlag erlitten hatten und nun neuen Lebenssinn darin fanden, anderen zu helfen. Schnell und unbürokratisch. 

Ich denke an eine finanzkräftige, im Verborgenen agierende und öffentliche Berichterstattung tunlichst meidende Stiftung, bei der wir Wünsche von beachtlicher Größe äußern konnten, die meist positiv beschieden wurden. Hier aber galt es, die halbjährlichen Beschlusstreffen abzuwarten. Die Stifterin, eine mittlerweile hochbetagte Dame, habe ich nie kennengelernt, sie direkt anzusprechen war tabu. 

Ich denke an weitere Beispiele, bei denen es nicht immer so glatt lief, insbesondere, wenn die Verantwortlichen wechselten und der Kontakt neu aufgebaut werden musste. Spannend und entscheidend die Frage: Können wir weiterhin miteinander kommunizieren, uns verstehen und unsere Anliegen deutlich machen?

 

Heimvorteil großer Sozialverbände

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für alle, die in großen Verbänden arbeiten: Das Unternehmen ist bereits eine „Marke“, ist bekannt. Jeder verbindet damit etwas, und zu allermeist nichts Schlechtes. Wenn Sie einen Spender dann noch von einer Einrichtung der Altenhilfe aus anrufen, genießen Sie einen weiteren Vorteil: Jeder da draußen weiß, dass die Arbeitsbelastung der Pflegerinnen und Pfleger hoch und dass es überdies sinnvoll ist, sich für Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu engagieren.  

Kein Grund also, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Sie sind für die gute Sache unterwegs! Haben Sie Fundraising in diesem Rahmen noch nie betrieben, kann man nur ermuntern, es zu versuchen. Und natürlich könnten Sie die Hilfe von Fundraising-Beratern gerne in Anspruch nehmen: Es ist eine Investition, die sich lohnen wird!

 

Der persönliche Note

Ich kann nicht sagen, ob es zeitgemäß ist, wie ich bei meinen Aktivitäten vorging und vorgehe, oder eher „oldschool“. Doch viele der Stifterinnen und Stifter sind ebenfalls „oldschool“, sind Menschen in den besten Jahren und älter, sind analog statt digital sozialisiert worden, und ebenso, so mein Eindruck, „dockt“ man auch am besten bei ihnen an. Was nicht heißt, dass es nicht sinnvoll ist, Kontakte auch online zu pflegen und die Vorteile von Digitalisierung zu nutzen.

Ich bemühe mich zunächst, meine gewichtigen Anliegen auch gewichtig daherkommen zu lassen, lege also meinem Anschreiben eine Projektbeschreibung, einen Finanzierungsplan, eine Hausbroschüre und eine aktuelle Hauszeitung bei, je nach dem, was vorhanden ist. Alles zusammen stecke ich in Klemmhefter, wie man sie auch für Bewerbungen verwendet.

Ist der Adressat gut erreichbar, nehme ich mir die Zeit, den Spendenantrag persönlich vorbeizubringen oder einzuwerfen – gewinne ich doch auf diesem Weg einen Eindruck von der Stiftung und den Menschen, die dort arbeiten. 

 

Dank und Kontaktpflege

„Dank“ ist ein Schlüsselbegriff im Fundraising, wenn Spenden weiterhin fließen sollen: sei es mit dem obligatorischen Dankesbrief mit Zuwendungsnachweis, dem Artikel in der Haus- oder Verbandszeitung, der Aufnahme in den Verteiler für diese Medien, der Pressenachricht und dem Pressetermin (nur wenn gewünscht), der Einladung zur Einsegnung für eine allseits gute Fahrt des neuen Hausbusses, der Vorführung des neuen Lifters, der Aufstehhilfe, des höhenverstellbaren Pflegebettes, des Lagerungsrollstuhls, der Einladung zum großen Sommerfest, der Karte mit besten Weihnachts- und Neujahrswüschen. 

Die so entstandenen Kontakte gilt es zu pflegen und dabei das richtige Maß zu finden, was sich mitunter als gar nicht so einfach erweist, denn wir wollen die Stifterinnen und Stifter ja nicht nerven, verärgern, aufdringlich oder unterwürfig wirken wie Hans Moser in seinen alten Filmen, wenn der vermeintliche „Herr Generaldirektor“ den Raum betritt. 

Die beste Kontaktpflege ist vor diesem Hintergrund wohl die nicht übertrieben häufige, doch aber regelmäßige Antragstellung auf Förderung für ein neues Projekt.

 

Der richtige Ton

Vor dem wichtigen, möglicherweise weichenstellenden Anruf für ein neues Projekt oder die Gewinnung einer künftigen Großspenderin / eines künftigen Großspenders ist es normal, dass der Puls des Fundraisers steigt. Damit er nicht davongaloppiert, empfiehlt sich eine gute Vorbereitung: die bestmögliche Recherche über die Stiftung, die Stifterpersönlichkeit, ggf. das Unternehmen. Dazu das Bereitlegen von Notizen, Stichworten zu einzelnen wichtigen Punkten und dazu, wie es weitergehen kann, sollte das Gespräch ins Stocken geraten. Nicht zuletzt: eine ruhige, ungestörte Viertelstunde, idealerweise am Vormittag, die für das Gespräch reserviert ist.

Wie wichtig es ist, den richtigen Ton zu treffen, davon zeugt schon der Umstand, dass es eine eigene Publikation nur zu diesem Thema gibt (3).

 

Interne und externe Hindernisse

Erwiesenermaßen ist Fundraising umso erfolgreicher, je klarer Strategie und Ziele definiert sind. Erfolgreicher auch dann, wenn Vorstand und Geschäftsführung mit in die Vorhaben einbezogen sind. Fundraising muss nicht Chefsache sein, doch ohne die Chefin oder den Chef geht es nicht. Das Fehlen dieser Voraussetzungen gehört zu den häufigsten Gründen für das Scheitern von Fundraising (vgl. 2, S. 114 ff).

Manche Einrichtungsleitung hat ein Problem damit, dass nicht sie selbst, sondern jemand anderes in der Belegschaft die guten Ideen produziert. Manche mag die zeitnahe Übersendung von Dank und Spendenbescheinigung als nicht so wichtig erachten. Manche nutzt die Spenderinnen- und Spenderadressen, um ihr eigenes Fundraising zu betreiben. Manche setzt eine Spende für einen anderen als den vereinbarten Zweck ein. 

Dies alles kann Spenderinnen und Spender verärgern, vertreiben, und es ist schwer, sie zurückzugewinnen. 

 

Doch aus Fehlern lernen wir, die nächsten Versuche können besser ausfallen, und wenn der Erfolg der Bemühungen in einer Steigerung der Lebensqualität der Bewohnerschaft und in Arbeitserleichterungen der Angestellten besteht, wer wollte bestreiten, dass sich der Einsatz lohnt. 

Und manches Mal sind es die kleinen Gesten, die Bestätigung bringen, Gesten wie die Dankeskarte, die mich vor einigen Jahren zusammen mit einer Flasche Wein erreichte, als ich die Anschaffung eines teuren Aufstehhilfegerätes für einen Wohnbereich ermöglicht hatte: „Ein kleines Dankeschön für die Spende, die Sie für uns organisiert haben. Dank Ihrer Hilfe können wir gesund in Rente gehen!“

(Copyright: Reinhard Strüven)

 

Der Autor arbeitete 30 Jahre in der Stationären Altenhilfe. 20 Jahre betrieb er dort erfolgreich Fundraising. Seit 2022 ist er freier Fundraising-Berater. 

 

1 Wiebke Doktor (Hrsg.): Das Einmaleins des Fundraisings, Einführung in Theorie und Praxis. Apollon University Press, Bremen 2021

2 Nicole Fabisch: Fundraising. Spenden, Sponsoring und mehr. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013, 3. Aufl. (die zitierte 1. Auflage stammt von 2002)

3 Oliver Steiner: Telefon-Fundraising. Effektive Spendengewinnung und Spenderbetreuung in der Praxis. Springer-Gabler, Cham/Schweiz 2013

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.